Sonntag, 12. Juni 2016

Schland

Ich bin kein Freund von Massenveranstaltungen (außer Demos :) und ich finde Fußball super-langweilig. Das Thema WM oder EM (oder wie auch immer das heißt, was wir grade haben :) ist in meinen Augen trotzdem spannend, weil es die Frage aufwirft: Darf man für sein Land jubeln und das auch noch als Deutscher?

Deutschland ist für mich erstmal einfach nur ein Ort, so etwas wie Hamburg. Wenn jemand diesen Ort gut findet, ist das für mich erstmal okay. Wenn sich jemand mit diesem Ort verbunden fühlt, auch. Manche kaufen sich einen Hamburg-Kaffeebecher, manche vielleicht auch einen Deutschland-Kaffeebecher – wo ist der Unterschied? Ich besitze zwar keine Deutschland-Fahne, aber eine Tibet-Fahne – wo ist der Unterschied?

Ich halte mich für keinen besonders heimatverbundenen Menschen (ich bin in der Welt zu Hause :) Ich hatte aber mal an einem spanischen Flughafen ein Aha-Erlebnis: Dort stand „Hamburgo“ und ich habe mich darüber gefreut. Hamburg, das klang so vertraut. Und obwohl es Tausend Dinge in Hamburg gibt, die ich scheiße finde, gibt es eben auch vieles, was ich dort toll finde.

Stolz auf das eigene Land? Geht so. Aber als Merkel die Energiewende ausgerufen hat, dachte ich: sehr gut, damit kann ich mich identifizieren (mit den Wasserkraftwerken, die Fische töten, allerdings weniger).

An Deutschland finde ich vieles richtig scheiße und vieles richtig gut. Ich finde Japan toll und trotzdem gibt es viele Dinge, die ich an Japan nicht gut finde.

Die Frage ist doch: Wenn wir ein Land gut finden, schauen wir dann gleichzeitig auf ein anderes herab? Meine Erfahrung ist: Je mehr ich von einem anderen Land kennenlerne, desto mehr kann ich daran gut finden.

Ich finde es cool, dass hier Ludwig van Beethoven gelebt hat, aber ich höre auch gerne Erik Satie.

Weltmeisterschaften kann man – wie alle Wettkämpfe – natürlich erstmal in Frage stellen. Konkurrenz ist ja oft so scheiße. In unserer Leistungsgesellschaft werden Menschen nicht selten übel gegeneinander ausgespielt. Warum dieses Gegeneinander? Sehr fragwürdig. Im Sport finde ich es aber okay: Man übt etwas und misst sich mit jemandem und gibt sich anschließend die Hand oder verbeugt sich. Ich kenne das aus den Kampfkünsten und wenn ich merke, ich trainiere mit einem starken „Gegner“, bin ich motiviert, besser zu werden und das kommt doch uns beiden zugute.

Und bei der WM von Anfang an für Deutschland jubeln, obwohl man noch gar nicht weiß, wie gut die deutsche Mannschaft diesmal spielt? Bei einem Sportereignis haben Leute meistens ein Lieblingsteam oder einen Lieblingssportler, dem sie zujubeln wollen – schon bevor das Spiel oder der Kampf beginnt. Deswegen kann man doch trotzdem auch die Leistung des „Gegners“ anerkennen.


Wenn jemand sagt, „Ich liebe Deutschland“, habe ich damit erstmal kein Problem. Man müsste sich dann halt noch nach den Gründen erkundigen. Wenn dann kommt „Weil wir alle so geile Germanen sind und die anderen nicht“, wird’s natürlich schwierig.